Süddeutsche, Freitag, 15. April 2005

Überfluss in den Adern
Beim Sport zu viel zu trinken ist ungesund

Trink, bevor der Durst kommt: Diesen Satz predigen Ärzte besonders Marathonläufern. Beim Sport zu viel zu trinken kann nach einer Untersuchung von Christopher Almond vom Children's Hospital in Boston allerdings auch schädlich sein (New Journal of Medicine, Bd. 352, S. 1550, 2005). Almonds Team wog 488 Teilnehmer des Boston-Marathon vor und nach dem Lauf; nach der Ankunft im Ziel bestimmten die Ärzte außerdem die Natriumkonzentration im Blut und befragten die Läufer über ihr Trinkverhalten während des Marathons. Die meisten hatten den Wettkampf gut überstanden, aber bei 62 Probanden stellten Almond und seine Kollegen Natriummangel fest. Sie hatten weniger als 135 Millimol Natrium pro Liter Blut. Normal sind 135 bis 145 Millimol. Bei drei der 62 Probanden war die Konzentration sogar derart gering, dass sie in Lebensgefahr waren. "Das stärkste Indiz für diese Hyponatriämie war eine beachtliche Gewichtszunahme, weil die Läufer übertrieben viel getrunken hatten - teilweise über drei Liter", so Almond.

Wenn man viel trinkt, gelangt Wasser in die Blutgefäße. Dadurch wird das Blut verdünnt, die Natriumkonzentration sinkt. Werden die Adern zu prall gefüllt, strömt Wasser ins umliegende Gewebe und kann sich auch im Gehirn einlagern. Schwindel, Schwächeanfälle und Muskelkrämpfe sind die Folgen - die gleichen Symptome wie sie Sportler zeigen, wenn sie zu wenig getrunken haben. -

"Jeder sollte also beim Sporttreiben nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel trinken", sagt Sportmediziner Andreas Schmid von der Universität Freiburg. Die richtige Menge lässt sich ermitteln, indem man sich vor und nach dem Sport wiegt. Die Differenz sollte dann mit Flüssigkeit ausgeglichen werden. "Möglichst mit isotonischen Getränken", so Schmid, "denn die haben die gleiche Mineralstoffkonzentration wie Blut." So wird den Adern weder Wasser entzogen noch zugeführt. Sportgetränke hingegen enthalten laut Almonds Studie im Schnitt nur 18 Millimol Natrium je Liter und hätten deshalb den gleichen Effekt wie pures Wasser. Franziska Badenschier

 

Straubinger, 18.April 2005

"Alle Entdecker hyperaktiv
Neue Erkenntnisse aus der Lern- und Hirnforschung

Landshut. (hw) Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband BLLV) Niederbayern hat am Samstag zum zweiten Mal einen Kindergarten-Grundschultag ausgerichtet. Im Mittelpunkt der mit der Fachakademie für Sozialpädagogik Landshut-Seligenthal durchgeführten Veranstaltung stand das Thema "frühkindliches Lernen". Neben zwei Referaten standen Workshops auf dem Programm, in denen Anregungen und Hilfen für die Praxis gegeben wurden.

Professor Dr. Sabine Martschinke von der Uni Passau sprach über Entwicklungsprozesse des Lesen- und Schreibenlernens im Elementarbereich. Sie beginnen schon sehr früh im kindlichen Alltag und beschreiben einen langsamen Reifungsvorgang. Dabei gehe es um den Erwerb eines möglichst umfangreichen Sprachschatzes und um die Entwicklung eines phonologischen Bewusstseins. Martschinke stellte verschiedene Modelle vor, wie die Lernvoraussetzungen durch Schaffung von Schreibanlässen etwa im Zusammenhang mit Rollenspielen gefördert werden können. Wie aber eine individuelle Förderung der Kinder angesichts der Gruppenstärken im Kindergarten und in der Schule zu leisten sei, blieb offen. Neue Erkenntnisse aus dem Bereich der Gehirnforschung stellte Professor Dr. Ralph R. Dawirs von der Uni Bielefeld vor, wobei er die Besonderheit des menschlichen Hirns verdeutlichte, welches im Gegensatz zu anderen Organen wie beispielsweise der Leber sich während der embryonalen Phase nicht zu einem quasi fertigen Organ entwickle, um dann gebraucht zu werden. Vielmehr beginne es schon früh zu arbeiten und entwickle sich sozusagen nach Bedarf immer weiter.

Bei der anschließenden Aussprache kritisierte Professor Dawirs am Beispiel des ADS-Syndroms Tendenzen, Verhaltensauffälligkeiten zu pathologisieren, wobei er zu bedenken gab, dass "alle berühmten Entdecker irgendwie hyperaktiv" gewesen seien. Gegenüber aktuellen politischen Stoßrichtungen betonte er die Notwendigkeit, Kinder in kleinen Gruppen zu fördern um ein individuelles Herangehen zu ermöglichen.

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