Mittelbayerische Zeitung, 13.Jan2005
Recht des Kindes genießt Vorrang vor Recht des Vaters
Urteil des Bundesgerichts zu Vaterschaftstests hilft Ministerin Zypries
VON WOLFGANG JANISCH, DPA

KARLSRUHE. Mit seinem Urteil zu heimlichen Vaterschaftstests stößt der Bundesgerichtshof (BGH) mitten in eine heftige rechtspolitische Debatte. Bundesjusfizministerin Brigitte Zypries (SPD) will solche Tests unter Strafe stellen, wenn die Betroffenen nicht eingewilligt haben - was ihr Kritik auch aus dem Regierungslager eingetragen hat. Das BGH-Urteil dürfte ihr den Rücken stärken.

Denn der BGH hat ausdrücklich festgestellt, dass heimliche Gentests verfassungswidrig sind. Zwar ist anerkannt, dass auch der Mann ein rechtlich geschätztes. Interesse daran hat, sich Gewissheit über seinen angeblichen Nachwuchs zu verschaffen. Der BGH räumt allerdings dem Persönlichkeitsrecht des Kindes den Vorrang ein - genauer: der Befugnis, über die Verwendung persönlicher Daten selbst zu bestimmen.

Dass genetische Daten äußerst sensibel sind, hat diese Woche der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar bekräftigt. Sie können beispielsweise Aufschluss über die gesundheitliche Disposition geben. Zwar wies gestern der Bundesverband der Sachverständigen für Abstammungsgutachten darauf hin, dass bei Vaterschaftstests keine genetisch bedingten Krankheiten ausgeforscht würden - dies sei ein völlig neuer Test und "kein automatisches Nebenergebnis eines Vaterschaftstests", sagte der Verbandsvorsitzende Jürgen Henke.

Dennoch ist die Missbrauchsgefahr nicht von der Hand zu weisen - zumal für einen nicht einmal 200 Euro teuren Abstammungstest schon Speichelreste an einem Trinkglas oder einem Schnuller reichen. Die nordrhein-westfälische Datenschützerin Bettina Sokol entwirft das Szenario einer netten Nachbarschaftseinladung: Der böswillige Gastgeber schafft hinterher Becher und Tassen ins Labor, findet heraus, dass in der Nachbarsfamilie ein "Kuckuckskind" ist - und tratscht das herum.

Damit wird klar: Die Zulassung heimlicher Tests zum "Papa-Check" wäre riskant, weil anfällig für Missbrauch. Gleichzeitig macht das Karlsruher Verfahren aber deutlich, dass der angebliche Vater die Möglichkeit haben muss, berechtigten Zweifeln an der Abstammung der Kinder nachzugehen, von der ja beträchtliche Unterhaltspflichten abhängen. Zwar bringen Rechtsstreitigkeiten erhebliche Unruhe in eine Familie - doch der nagende Zweifel kann ebenso zersetzend sein.

 

Väter sollen Klarheit haben
Bayerns Justizministerin fordert Verfahren ohne Klage

GustavNORGALL, MZ

MÜNCHEN. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) will es Männern ermöglichen, in einem unkomplizierten, rechtlich einwandfreien Verfahren festzustellen, ob sie Vater eines Kindes sind. Den Vorschlag der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), heimliche Tests zur Straftat zu erklärten, hält sie für falsch.

Widerspricht es nicht dem Gerechtigkeitsgefühl vieler Menschen, wenn Gerichte gemäß dem Urteil des Bundesgerichtshofs Testergebnisse nicht berücksichtigen, und Männer dann für Kinder Unterhalt zahlen müssen, die nicht von ihnen abstammen?

Beate Merk: Natürlich wäre dies nicht fair. Aber von den Gerichten - und das ist durch den Bundesgerichtshof gestern bestätigt worden - werden nur die Ergebnisse heimlicher Tests nicht

Berücksichtigt. Der normale Weg einer gerichtlichen Anfechtung der Vaterschaft steht jedem zu, der rechtlich als Vater gilt. In diesem Verfahren wird dann ein offizielles und seriöses Gutachten eingeholt, das über den Ausgang des Verfahrens entscheidet.

Wie stehen sie zu dem Vorschlag von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), per Gesetz heimliche Vaterschaftstest zu verbieten?

Frau Zypries will nicht nur das, sondern sie will heimliche Vaterschaftstests zu einer Straftat erklären. Das halte ich für einen völlig falschen Weg. Wollen wir, dass Staatsanwälte in unseren Familien ermitteln? Auf der anderen Seite muss mit menschlichen Gen-Informationen sensibel umgegangen werden. Bei den kommerziell angebotenen Tests muss sichergestellt werden, dass sie den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechen.

Wie können die Interessen der Väter rechtlich besser berücksichtigt werden?

Ich habe Verständnis, dass Männer, die Zweifel an ihrer Vaterschaft haben, Klarheit haben wollen. Ich glaube jedoch, dass der Weg dies heimlich zu tun, nicht im Sinn einer funktionierenden Partnerschaft sein kann. Um den Interessen der Väter gerecht zu werden, überlegen wir Möglichkeiten eines schnellen, unkomplizierten Verfahrens. Ein zweifelnder Vater muss erfahren können, ob er tatsächlich der Vater des Kindes ist. Deswegen halte ich es für überlegenswert, ein Verfahren zu eröffnen, das allein die Feststellung der Vaterschaft enthält.

Derzeit hat einEhemann nur die Möglichkeit die Abstammung im Wege einer Vaterschaftsanfechtung klären zu lassen. Das bedeutet, er legt sich von vorneherein auf eine Anfechtung seiner Vaterschaft fest. Ich glaube, es gibt Väter, die sich diesen endgültigen Schritt erst nach Klarheit über die Abstammungsverhältnisse in Ruhe überlegen wollen. Selbstverständlich muss ein solches Verfahren das Persönlichkeitsrecht des Kindes in angemessener Weise berücksichtigen.

Was passiert, wenn nachträglich vor Gericht festgestellt wird, ein Mann ist nicht der Vater eines Kindes. Er hat aber jahrelang Unterhalt gezahlt, bekommt er das Geld zurück?

Er hat jedenfalls die Möglichkeit, es sich zurückzuholen. Und zwar von dem wirklichen Vater des Kindes, an dessen Stelle er den Unterhalt quasi vorgestreckt hat. Der entsprechende Anspruch des Kindes geht bei einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung automatisch auf ihn über.

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