Straubinger, 2.Dez 2004

"Ein Schultag ohne Kippe? Unvorstellbar!"
Geplantes Rauchverbot an den Schulen: Die Lehrer atmen auf, die Schüler protestieren
Von Diana Hiob

Cham. "Eine Zigarette" - das ist der erste Gedanke, wenn Katrin aufwacht. Die 16-jährige Schülerin der Berufsschule Cham raucht "immer sofort nach dem Aufstehen". Ein Schultag ohne Kippe ist für Katrin "unvorstellbar". Das generelle Rauchverbot an Schulen - wie es die Bayerische Staatsregierung ab Herbst 2005 plant - findet sie sogar "gemein". Während der Großteil ihrer Klassenkameradinnen zustimmt, atmen die Lehrer auf. "Endlich wird was getan", sagt Barbara Stieglitz. Sie versucht jetzt schon durchzugreifen wo es geht: "Für heimliche Zigaretten gibt's Verweise". Und sie begrüßt das Gesetz - wie die meisten Lehrer der Chamer Schulen.

Jenny gönnt sich ihr "Nachmittags-Zigaretterl" am Pausenhof der Werner von Siemens-Berufsschule. Gemeinsam mit etwa 15 Mitschülerinnen belagert sie den großen Aschenbecher im Raucherbereich der Schule. "Ich fände es echt unfair, wenn sie uns nicht mehr rauchen lassen. Wir sind doch schon 16 und dürfen das", protestiert sie. Das geplante Rauchverbot kann auch Sabrina nicht verstehen. Sie raucht pro Tag etwa eine Schachtel. "Machen bei uns daheim alle", sagt sie. Und obwohl sie erst 15 Jahre ist, weiß sie: Sie würde es keine acht Stunden ohne Zigarette aushalten. "Wenn wir mal drei Schulstunden hintereinander haben, dann zittern schon meine Hände weil ich nicht rauchen darf, sagt sie.

"Und so denkt leider der Großteil der Klasse", bedauert Barbara Stieglitz. Es komme jetzt schon vor, dass die Schüler heimlich während der Schulzeit rauchen, weil sie es nicht bis zur nächsten Pause aushalten.

Die "heimlichen Ecken" "Sollte das Gesetz kommen, müsse man auch an das "Aufsichtsproblem" denken, so Schulleiter Franz Aschenbrenner. "Die Schüler dürfen das Gelände nicht verlassen. Wenn sie sich dann Ecken suchen, wo sie heimlich qualmen, muss man mit verstärkten Kontrollen entgegenwirken." Trotz aller Probleme, die vielleicht bei der Umsetzung auf die Schulen zukommen: "Ein solches Gesetz hätte auf jeden Fall Signalwirkung und wäre nur zu befürworten".

Dem pflichtet auch Gerhard Pschorn, Direktor des Robert Schuman-Gymnasiums bei - obwohl er selbst betroffen wäre. "Wir sind nur noch vier Lehrer im Kollegium, die rauchen und würden das schon in den Griff kriegen", so Pschorn. Grundsätzlich funktioniere auch die aktuelle Regelung am RSG: Die Schüler von KS 12 und KS 13 dürfen im Freien in einem eigenen Bereich rauchen. "Das ist deswegen nicht schlecht, weil wir die Schüler dann am Haus haben und sie nicht auf der Straße stehen". Pschorn vermutet, dass die volljährigen Schüler im Fall eines Verbotes ihre Raucherecke in die Pfarrer-Lukas-Straße verlegen würden - "was wir dann nicht verhindern können". Dabei könne leicht der Eindruck einer "qualmenden Schülerschaft" entstehen.

Ein Problem, das die Schulleiter am Chamer Schulberg kennen: Die Dr. Muggenthaler-Straße ist schon jetzt das "Raucherstübchen" für viele FOS'ler und Fraunhofer-Schüler. "Aber dagegen können wir nichts unternehmen", so Rudolf Reinhardt, Schulleiter des Joseph von Fraunhofer-Gymnasiums. An der Schule gilt schon seit einiger Zeit Rauchverbot. Die älteren Schüler würden daher auf die Straße ausweichen.

Ändern werde sich aber am JVFG durch das Gesetz nicht viel. Die wenigen Lehrer, die noch im Haus rauchen, ziehen sich bis in ein Raucherzimmer zurück. "Und wie wir das in Zukunft regeln, werden wir sehen".

Nur noch wenige Lehrer rauchen

"Bei uns rauchen noch zwei Lehrer und die würden damit schon klar kommen", so Aschenbrenner. "Bei den Schülern allerdings dürfte die neue Regelung Protestschreie nach sich ziehen." Der Schulleiter hofft, dass viele Raucher durch das Verbot von ihrer Sucht wegkommen, dass verstärkte Kontrollen und Maßregelungen helfen. Und deswegen findet Aschenbrenner: "Das Rauchverbot an der Schule ist eine der besten Ideen, die unsere Regierung in den letzten Jahren hatte".

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Staatsregierung f'ührt generelles Rauchverbot an den Schulen ein

Gesetzentwurf bis Herbst 2005 - SPD sammelt Unterschriften für bessere Bildung

München. (dpa) Bayern will ein generelles Rauchverbot an allen öffentlichen Schulen für Lehrer und Schüler einfuhren. Die Schule solle Vorbild für ein gesundes Leben und nicht für eine gesundheitsschädliche Sucht sein, sagte Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) laut Mitteilung am Montag bei der Kabinettssitzung in München. Die Schule müsse die richtigen Signale geben und die richtigen Werte vermitteln. Der Gesetzentwurf soll bis Herbst kommenden Jahres vorliegen.

Damit verschärft die Staatsregierung ihren Anti-Raucher-Kurs. Umweltminister Werner Schnappauf und seine Schulkollegin Monika Hohlmeier hatten das Modellprojekt "Rauchfreie Schule" erst im Oktober gemeinsam vorgestellt. Vor einem Monat war allerdings von einem generellen Rauchverbot noch nicht die Rede, sondern von einem zweijährigen Modellprojekt mit 30 Schulen auf der Basis freiwilliger Vereinbarungen von Eltern, Lehrern und Schülern. "lch bin der festen Überzeugung, dass wir ein generelles Rauchverbot dringend brauchen", wurde Hohlmeier nun in der Mitteilung der Staatskanzlei zitiert.

In Bayern rauchen schätzungsweise rund eine halbe Million Jugendliche. Das Einstiegsalter liegt inzwischen bei unter zwölf Jahren. Jährlich sterben nach Angaben Schnappaufs 16 500 Menschen im Freistaat an den Folgen des Rauchens. Geplant ist auch eine Verschärfung in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens.

Unterdessen startet die bayerische SPD eine landesweite Unterschriftensammlung für bessere Bildungschancen im Freistaat. Ziel sind mehr Lehrer, kleinere Klassen und eine bessere Förderung der Kinder. SPD-Fraktionschef Franz Maget stellte die Aktion in München gemeinsam mit Parteivize Florian Pronold vor.

Bis ins Frühjahr hinein will die SPD Unterschriften sammeln, die dann als Petition an den Landtag gehen sollen. Zudem bieten die Sozialdemokraten Eltern und Lehrern Unterstützung an, die sich mit konkreten Problemen vor Ort in Einzelpetitionen ans Parlament wenden wollen. "Das machen wir, um was voranzubringen. Nur Gejammer ist zu wenig", erläuterte Franz Maget.

Nach den Worten von SPD-Bildungsexpertin Marianne Schieder ist die Situation an den Schulen so schwierig und angespannt wie schon lange nicht mehr. Bis zu zehn Prozent des Unterrichts fielen aus, die mobile Reserve sei praktisch aufgebraucht: "Es herrscht Mangelverwaltung an den bayerischen Schulen. Der Rotstift bestimmt, was geschieht, und nicht ein pädagogisches Konzept."Pronold sagte, die PISA-Studie habe gezeigt, dass in keinem anderen Land die Bildungschancen so stark vom Geldbeutel der Eltern abhingen wie in Bayern. Das von der CSU-Staatsregierung geplante Büchergeld sei vor allem für einkommensschwache Familien eine weitere Belastung.

 

Die Jagd auf Bafög-Betrüger soll 14 Millionen Euro bringen

In 8 000 Fällen im Freistaat Rückforderungen gestellt

München. (dpa) Bafög-Betrügern unter Bayerns Schülern und Studenten drohen harte Zeiten. Ab kommendem Jahr können die Ausbildungsämter automatisch die Bankkonten abfragen lassen, um Schwindlern auf die Schliche zu kommen. Das bayerische Wissenschaftsministerium hat für die nächsten zwei Jahre 14 Millionen Euro Einsparungen eingeplant. Betrugsfälle würden an die Staatsanwaltschaften weiter geleitet, sagte eine Sprecherin des Ministeriums am Freitag. "Das ist keine Kann-, sondern eine Muss-Bestimmung."

Möglich wird dies durch eine Ende Oktober vom Bundestag beschlossene Änderung des Bafög-Gesetzes. Eine Untersuchung des Bundesrechnungshofs hatte im Jahr 2003 massenhaften Schwindel aufgedeckt. Bei der Überprüfung von 1,2 Millionen Förderanträgen kamen die Prüfer rund 60 000 Moglern auf die Spur. "Wir haben in Bayern in 8 000 Fällen Rückforderungen gestellt", sagte die Sprecherin des Ministeriums. Derzeit erhalten in Bayern 63 900 Studenten und Schüler Bafög. Die erhofften Einsparungen von 14 Millionen Euro seien eine Prognose, sagte die Sprecherin. Man setze auf die abschreckende Wirkung der neuen Regeln.

 

Greenpeace kritisiert "Skandal-Patent"

München. (dpa) Das Europäische Patentamt in München hat laut der Umweltschutzorganisation Greenpeace das bisher weitreichendste Patent auf ein menschliches Gen erteilt. Das im April 2004 an die US-Firma Human Genome Sciences vergebene Schutzrecht (EP777684) umfasse alle Funktionen des Gens, das einen Eiweißstoff mit wichtigen Lebensfunktionen für den Körper herstelle. Greenpeace-Experte Christoph Then sprach am Montag von einem "Skandal-Patent". Beim Europäischen Patentamt war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

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