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Straubinger, 17.Febr2005

Wachstum ja – aber nicht um jeden Preis

Dr.Josef Rehrl, ehemaliger LVHS-Leiter, über das Modell solidarischer Kurzarbeit

Der ehemalige Leiter der Landvolkshochschule (LVHS) Niederalteich, Dr. Josef Rehrl (Bild), warnt vor einem Wirtschaftswachstum um jeden Preis. Seiner Ansicht nach gibt es noch andere Wege, die aus der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland herausfahren: etwa das Modell der solidarischen Kurzarbeit.

Sie vertreten die Ansicht, dass Wirtschaftswachstum eine lebensbedrohliche Modellvorstellung sei. Ist das nicht eine krasse Außenseitermeinung?

Das mag schon sein. Aber es ist ein bisschen so wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern: Da haben auch alle gejubelt und einer hat es vom anderen gehört und nachgesagt, aber in Wirklichkeit war der Kaiser nackt. Ich meine, es steckt eine Ideologie dahinter, die, zu Ende gedacht, nicht funktionieren kann.

Was spricht aber nun gegen Wirtschaftswachstum?

Wenn das Wirtschaftswachstum so weitergeht wie bisher, werden auch die Rohstoffe immer schneller ausgebeutet und die fossile Energie geht zur Neige.

Wie aber sollen Arbeitsplätze geschaffen werden, wenn die Wirtschaft nicht mehr wächst?

Wenn Wirtschaftswachstum zu Arbeitsplätzen führen würde, müssten wir doch reichlich davon haben. Wo sind sie geblieben? Das ist der springende Punkt: Wenn Betriebe investieren, tun sie das oft deswegen, um zu rationalisieren und um die teuren Arbeitsplätze zu sparen. Sie werfen mit weniger Arbeitskräften mehr Waren auf den Markt, die aber bei gesättigten Märkten nicht mehr benötigt werden.

Die Verbraucher verbrauchen zu wenig. Wenn aber der Mensch in die Pflicht genommen wird, mehr zu verbrauchen, wenn er Schuld sein soll an der Arbeitslosigkeit, dann ist die Wirtschaft auf den Kopf gestellt, denn sie ist nach katholischer Soziallehre für den Menschen da, nicht umgekehrt.

'Wie sollen dann die fünf Millionen Arbeitslosen Arbeit finden?

Mit dem Konzept der solidarischen Kurzarbeit. Es scheint mir besser, wenn viele Arbeitsuchende wenigstens zum Beispiel 30 Stunden arbeiten, oder wenigstens eine Halbtagsstelle haben, als wenn sich die einen abrackern und für die anderen keine Arbeit mehr übrig bleibt. Natürlich müsste dann auch der Lohn geteilt werden. Da ist noch viel Diskussion über Solidarität erforderlich. Es heißt zwar oft, dass mit längerer Arbeitszeit die Betriebe konkurrenzfähiger werden. Aber das kann nicht die ganze Wahrheit sein, wenn auf der einen Seite die Arbeitslosen immer mehr werden.

Würden wir ohne Wirtschaftswachstum nicht schlechter leben?

Ohne Wachstum, das heißt nicht, zurück auf die Bäume, sondern zunächst nur, dass wir den Stand vom letzten Jahr halten. Man muss auch bedenken, wie sich die Zahlen des Wirtschaftswachstums zusammensetzen. Da werden auch die Kosten für Schäden aller Art mitgerechnet, während ein großer Teil echter Leistung, zum Beispiel die Familienarbeit, nicht zählt. Ein Land mit weniger Kranken und weniger Verkehrsunfällen und mit viel Nachbarschaftshilfe hat weniger Wachstum. Aber leben in diesem Land die Menschen nicht besser?

Das mag ja alles gut und schön sein, aber wie wollen Sie Ihre Außenseitermeinung unters Volk bringen?

Das wird nicht mehr lange eine Außenseitermeinung sein, davon bin ich überzeugt. Auch Wissenschaftler und Politiker, zum Beispiel Kurt Biedenkopf und der ehemalige österreichische Vizekanzler Josef Riegler, vertreten schon lange diese Auffassung. Unser ökosoziales Forum in Niederalteich ist vernetzt mit größeren Initiativen, zum Beispiel der Idee-, einen weltweiten Marshallplan einzurichten, der auf der obersten politischen Ebene die Bedingungen für eine gerechtere, nachhaltigere Wirtschaft herstellt.

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