Straubinger, 27.Dez 2004
"Plötzlich kam diese riesige Welle"
Eine Killerflut zerstört den Weihnachtstraum unter der Sonne Thailands -
beim Sonnenbaden ins Meer gezogen - 200 Bungalows auf Phi Phi in die See gespült

Entspannt liegen die Touristen am Sonntag auf dem weißen Sandstrand von Phuket und genießen die Weihnachtssonne. Es sind einige tausend, die sich auf der Flucht vor dem unwirtlichen Winter in Europa auf den Ferieninseln Phuket und Phi Phi zusammengefunden haben. Doch aus der Ferienidylle im Süden Thailands wird mit einem Schlag ein Horrorerlebnis, wie es noch niemand erlebt hat.

"Plötzlich kam diese riesige Welle, stürzt sich über den ganzen Strand und zerstört alles auf ihrem Weg", sagt der 29-jährige Fotograf Simon Clark aus London, der mit seiner Freundin -Urlaub auf der Insel Ngai macht. "Die Leute, die am Schnorcheln waren, wurden an den Strand gespült. Und wer beim Sonnenbaden war, wurde ins Meer gezogen." Die reißende See verschlingt Bungalows und Boote. Autos werden wie Spielzeuge umgeworfen und weggerissen.

Nach inoffiziellen Angaben vom Sonntagnachmittag kommen allein in Thailand 300 Menschen in den fünf bis zehn Meter hohen Wellen ums Leben, rund 2000 werden verletzt. Noch katastrophaler wütet die Flutkatastrophe - ausgelöst von einem Erdbeben der Stärke 8,9 unter dem Meeresgrund vor Sumatra - in Sri Lanka und in Indien. Insgesamt verlieren an diesem Sonntag mehrere tausend Menschen ihr Leben.

Mit am schwersten verwüstet ist auf Phuket der Strand von Patong, wo mindestens 32 Menschen ums Leben kommen und mehr als 500 verletzt werden. Mit einer Sehnenzerrung davon kommt die 22 Jahre alte Natalia Moyano aus Sydney. "Das Wasser stieg immer höher", beschreibt die junge Australierin diese Augenblicke des Schreckens. "Erst langsam, dann aber ging es sehr plötzlich hoch. Ich versuchte, über einen Zaun zu springen, aber er stürzte ein."

"Schlimmer hätte Weihnachten nicht sein können. Wir kommen seit 13 Jahren hierher", sagt eine deutsche Touristin, die mit ihrem Mann einen Hügel in Patong hinaufflüchtet. "Was kann man tun? Es ist die Natur", sagt er. Und ein schwedisches Paar, das in seinem Bungalow vom Wasser überrascht wurde, schilderte der Zeitung "Phuket Gazette", wie die steigende Flut sie und ihre Kinder auf ihren Betten bis zum Dach des Ferienhauses trug. "Es drückte uns bis zum Dach, dann hob das Dach ab, und wir trieben davon", zitiert das Blatt Familienvater Kjell Skold. Zum Glück landen die Schweden schließlich auf dem Trockenen. Kaum dass sie ihre siebenjährige Tochter in einem hohen Gebäude in Sicherheit gebracht haben, fällt ihnen aber auf, dass ihr Sohn - zehn Jahre alt - verschwunden ist. Auf einem Baum finden die Eltern ihn schließlich wieder.

In Thailand hätte die Bilanz noch schlimmer ausfallen können, da die Katastrophe das Land auf dem Höhepunkt der Feriensaison ereilt. Aber viele Touristen sind zum Zeitpunkt der Flut noch beim Frühstück. Andere werden von lauten Rufen und Schreien aus dem Schlaf geweckt.

"Zuerst hörten wir nur einen sehr lauten Knall sagt Gerrard Donnelly im Holiday Inn von Phuket dem britischen Fernsehsender Sky. "Dann ging meine Frau Emily auf den Balkon. Wir glaubten zuerst an einen Terroranschlag, aber dann kam die Riesenwelle und wir liefen immer weiter nach oben, um so hoch wie möglich zu kommen.

Auf Phi Phi, wo der Psychothriller "The Beach" mit Leonardo di Caprio gedreht wurde, werden 200 Bungalows ins Meer gespült - einige davon zusammen mitsamt den Bewohnern und Angestellten. "Ich fürchte, dass eine große Zahl von Ausländern auf See vermisst wird und auch mein Personal", sagt der Besitzer der Ferien-Resorts PP Princess und PP Charlie Beach, Chan Marongtaechar. Seine Angestellten haben ihm gesagt, dass sie jetzt ganz schnell von der Insel weg wollten. Aber dafür ist die See noch viel zu rau.

Die thailändische Marine brachte Touristen, die sich in Hotels und Bungalows geflüchtet hatten, in Sicherheit. Unter den in der Unglücksregion angespülten Leichen befinden sich auch Fischer, die gerade mit ihren Booten auf dem Meer waren, als die Wellen anrollten.

Das Touristikunternehmen Thomas Cook schickte vier leere Flugzeuge in die Region. Sie nehmen Touristen auf, die "ihren Urlaub regulär beenden", wie der Sprecher von Europas zweitgrößtem Unternehmen der Branche (u.a. Neckermann, Condor, Thomas Cook), Steffen Milchsack, am Sonntag in Oberursel bei Frankfurt sagte. Der Sprecher von Europas größtem Reisekonzern TUI, Mario Köpers, sagte am Sonntag: "Wir sind gerade dabei, weltweit Informationen zusammenzutragen." Die Kommunikation in die betroffenen Gebiete sei allerdings "extrem schwierig".

Das Beben war auch in Malaysia und Singapur zu spüren. Auf einer Insel im Nordwesten Malaysias fielen 16 Menschen der Flutwelle zum Opfer. Auf den Malediven starb ein britischer Tourist vor Schreck, als der auf ihn zuraste. "Tanken konnte ich noch, aber dann kam die ,große Flutwelle und überschwemmte alles", schilderte der aus Österreich stammende und bei Hamburg lebende Pilot Dieter Malina (43). Er befand sich gerade in Male, der Hauptstadt der Malediven. "Ich konnte mich auf das Dach meines Flugzeugs retten". Sutin Wannabovorn, AP und Lars Nicolaysen, dpa

...Inzwischen stellt sich heraus, daß es sich hier um die größte Katastrophe der letzten hundert Jahre handelt – deren gesamtes Ausmaß noch nicht abzuschätzen ist...(29.Dez2004)...

 

 

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