Mittelbayerische Zeitung, 7.Jan2004

Kreuther Geist macht die CSU schweigsam
Landesgruppe: Vor Landtagswahlen kein neuer Streit mit der CDU - Seehofer sagt gar nichts
Gustav NORGALL, MZ

WILDBAD KREUTH. Der viel beschworene und oft verlachte Kreuther Geist wirkt nach wie vor mächtig in der CSU: Er lässt einen Rebellen schweigen (Horst Seehofer), einen Einpeitscher die Gemeinsamkeit der Union loben (Michael Glos) und den sonst so führungsbewussten Chef sich selbst als idealen Teamspieler loben (Edmund Stoiber).

Die 29. Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im oberbayerischen Wildbad Kreuth begann gestern mit Harmonieübungen - nicht nur, weil angesichts der Naturkatastrophe in Asien zu heftiger politischer Streit zur Zeit bei den Bürgern nicht so gut ankommt. Landesgruppenchef Glos, der kurz vor der Tagung in einem Interiew noch an der Teamfähigkeit von CDU-Chefin Angela Merkel gezweifelt hatte, betonte bei der Eröffnung: "Angela Merkel ist nach den Ereignissen der vergangenen Wochen konsolidiert." 2004 sei Angesichts der dramatisch gesunkenen Umfragewerte für die Union nicht optimal gelaufen, "das müssen wir heuer besser machen". Die Union müsse ihre Wirtschaftskompenz betonen, denn gerade angesichts der Hilfsversprechen an die von der Naturkatastrophe betroffenen südasiatischen Länder gelte: "Deutschand kann nur helfen, wenn es wirtchaftlich leistungsfähig bleibt."

CSU-Chef Edmund Stoiber warf Schröder vor, ökonomisch gescheitert zu sein. "Rot-Grün hat Deutschland ärmer gemacht." Der bayerische Ministerpräsident verteidigte erneut sein Sparkurs im Freistaat. Er lobte den Vorschlag von Altbundespräsident Roman Herzog, eine Verschuldungsgrenze in die Verfassung zu schreiben. Die Vorwürfe aus der CSU, Angela Merkel zeige mangelnde Führungsfähigkeiten, wies auch Stoiber zurück. "Da wird vieles überinterpretiert. Das sind alles nur wohlmeinende Ratschläge für die CDU." Allerdings kündigte Stoiber an, dass er Entscheidungsprozesse innerhalb der Union besser organisieren wolle. Ein Streit wie 2004 um die Gesundheitsreform werde sich "nicht wiederholen". Angesichts dieser Vorgaben übte sich ein anderer CSU-Spitzenpolitiker in Disziplin. Der von Stoiber ins Abseits gestellte Gesundheitsexperte Horst Seehofer hält sich unter der wachsamen Beobachtung von Peter Ramsauer, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Landesgruppe, an die vereinbarte Schweigsamkeit.

"Ich sage nichts zur Frau Merkel." In die laufenden Kameras murmelt er Sätze wie "jede Wahl ist wichtig," oder "Das ist Vergangenheit". Selbst zum erbitterten innerparteilichen Streit um die Gesundheitsreform schweigt er: "jetzt ist 2005. Wir schauen nach vorne." Und als die enttäuschten Journalisten ihn weiter bedrängen, bittet er nur: "Darf ich bitte weiter gehen. Das gehört auch zu den Menschenrechten." Rudolf Kraus, Bundestagsabgeordneter aus Amberg, ist ein alter politischer Fahrensmann. Er ist einer der ganz wenigen unter den 58 Abgeordneten, die schon vor 29 Jahren bei der ersten Tagung dabei waren. Er kennt die Rituale, weiß, wann Zeit zum Poltern und zum Schweigen ist. "In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sind bald Landtagswahlen." Vorher gibt es keine großen Debatten über die Strategie und das Führungspersonal der Union, schon weil sich die CSU nicht nachsagen lassen will, dass sie der CDU in beiden Ländern die Wahlergebnisse vermasselt. Stattdessen werden die CSU-Parlamentarier heute und morgen mit den CDU-Spitzenkandidaten Peter-Harry Carstensen und Jürgen Rüttgers diskutieren. "Das ist unser Grollen Richtung Norden", gibt sich Ramsauer bescheiden. Hauptthema der Tagung ist außerdem die Europapolitik. Hier weiß sich die CSU in ihrer Ablehnung eines EU-Beitritts der Türkei einig mit ihrem heutigen Gast Nicolas Sarkozy, dem Vorsitzenden der großen konservativen Partei in Frankreich, der als Nachfolger von Staatspräsident Jacques Chirac gehandelt wird. Noch mehr Aufsehen dürfte allerdings das Gespräch der Landesgruppe mit Rocco Buttiglione, dem Vorsitzenden der Christlich Demokratischen Union Italiens, erregen. Dieser hatte wegen seiner streng katholischen Haltung zu Homosexualität und Frauenrechten auf den Posten eines EU-Kommissars verzichten müssen. "Ich finde es gut, dass wir mit Buttiglione diskutieren", betont Maria Eichhorn, die Vorsitzende der Frauenunion. "Er muss seinen persönlichen Standpunkt vertreten können." Ähnlich sieht das der Weidener MdB Georg Girisch, der Buttiglione sogar schon in Rom besucht hat. "Ein solcher Kommissar hätte Europa gut getan," christliche Werte müssten in der Politik ihren Platz behalten.

Straubinger, 8.Jan2005
Neue Regeln für Nebentätigkeit im Gespräch

SPD und Grüne wollen präzisere Vorschriften - Vorstoß bei anderen Parteien im Bundestag

Berlin. (AP/dpa) Angesichts der nicht enden wollenden Debatte über Nebeneinkünfte wollen SPD und Grüne die Regeln für Bundestagsabordnete präzisieren. SPD-Fraktinschef Franz Müntefering sprach am Freitag von Klärungsbedarf und kündigte eine Debatte mit allen Fraktionen an. Er hoffe auf einen parteiübergreifenden Verfahrensvorchlag Mitte Januar.

SPD-Chef Müntefering sprach sich eindeutig gegen ein Verbot von Nebentätigkeiten aus. Die Forderung nach einem "quasi interessenfreien politischen Handeln" von Abgeordeten gehe "am Grundgesetz und an Lebenswirklichkeit vorbei". Allerdings dürften Abgeordnete auch nicht "speziell bezahlte Lobby" sein. Die jetzt öffentlich diskutierten Fälle seien sehr unterschiedlich zu gewichten, meinte Müntefering. Doch gelte; "Die Fragen nach Nebentätigkeiten und -beschäftigungen und deren Intensität sowie nach Interessenvertretung dürfen Abgeordneten mit Recht gestellt werden und müssen von uns glaubwürdig beantwortet werden." Die SPD-Fraktion werde ihren "Teil beitragen, eventuell berechtigte Zweifel auszuräumen und Regeln zu korrigieren, aber auch unberechtigten Zweifeln und Erwartungen klar zu widersprechen."

Auch die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte: "Wir haben allergrößtes Interesse daran, vernünftige Regeln zu definieren. " Es sei wichtig, dass man sich ein Bild machen könne über Loyalitätskonflikte und Abhängigkeitsverhältnisse.

Die FDP-Abgeordnete Gudrun Kopp stellte sich auf den Standpunkt, Abgeordnete, die Verträge mit Unternehmen hätten, seien nicht mehr unabhängig bei der Mandatsausübung. Nur unbezahlte Tätigkeiten seien in Ordnung.

Auch außerhalb der Politik ist umstritten, wie stark die Nebenverdienstmöglichkeit der Politiker beschnitten werden sollte. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke, sprach sich gegen ein Verbot aus. Eine Offenlegung. reiche aus, sagte er einer Zeitung. Ähnlich äußerte sich der frühere Industriepräsident Hans-Olaf Henkel. Jochen Bäumel von der Organisation Transparency International schlug im Deutschlandfunk dagegen Bußgelder für Abgeordnete vor, die ihre Nebentätigkeiten nicht anzeigen.

Unterdessen wurden weitere Nebeneinkünfte von Politikern publik. So erhält der SPD-Abgeordnete Wilfried Schreck nach einem Zeitungsbericht neben seinen Diäten auch Gehalt vom Energiekonzern Vattenfall. Die Grünen-Abgeordnete Christine Scheel und der CDU-Sozialexperte Andreas Storm bezogen Aufwandsentschädigungen von je rund 6000 Euro für die Prüfung von Bausparverträgen. Unions-Fraktionsvizechef Klaus Lippold sei nebenbei Geschäftsführer der BDI-Landesvertretung Hessen. Die Bundestagsabgeordnete Hildegard Müller, Mitglied des CDU-Präsidiums und Vertraute von Parteichefin Angela Merkel, bestätigte am Donnerstag, dass sie neben ihren Diäten auch Gehaltszahlungen von der Dresdner Bank erhält. Laut einer Zeitung erhält Müller für 16 bis 20 Stunden Arbeit pro Woche rund 2 000 Euro monatlich.

 

Straubinger, Samstag, 22. Januar 2005

Der gläserne Abgeordnete ist nicht beliebt

Die Mehrheit der ostbayerischen Bundestagsmitglieder lehnt ihn ab – Eine Umfrage

Die ostbayerischen Bundestagsabgeordneten von CSU und SPD sind - wie ihre Bundestagsfraktionen - für die Verschärfung der Verhaltensregeln und mehr Transparenz bei Nebentätigkeiten und -einkünften. Den gläsernen Abgeordneten indes befürwortet eine kleine Minderheit. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage unter den Volksvertretern aus Niederbayern/Oberpfalz.Zwar gehen vor dem Hintergrund der heftigen Debatten in den Parteien und unter Bürgern die Auffassungen der regionalen Volksvertreter gar nicht so weit auseinander. Der gläserne Abgeordnete nach angelsächsischem Vorbild, der alles bis ins letzte Detail offenlegen muss (in Amerika sogar seine Schulden), einen öffentlichen Striptease zu vollziehen hat, der geht der großen Mehrheit ostbayerischer Bundestagsabgeordneter parteiübergreifend dann doch zu weit.

Nur zwei wollen gläsern sein

Lediglich die SPD-Parlamentarier Horst Kubatschka (Landshut) und Florian Pronold (Rottal-Inn) sprechen sich dafür aus. Pronold, bayerischer SPD-Vize und seit 2002 im Bundestag, hat den ersten Schritt dazu bereits getan und listet auf seinen Internetseiten freiwillig alle Tätigkeiten und Einkünfte auf. Sein Chef Ludwig Stiegler (Weiden), Landesvorsitzender der Bayern-SPD, hingegen ist strikt gegen diese rigide Regelung, "solange wir nicht auch gläserne Manager, Bankvorstände und Chefredakteure haben". Deutschland habe eine andere parlamentarische Tradition als andere Länder, so Stiegler.

Unstrittig ist unter den ostbayerischen Volksvertretern die Tatsache, dass ein Abgeordneter transparent zu sein hat. Die Frage ist nur, wie weit sie gehen muss oder gehen darf, wo die Offenheit aufhört und die öffentliche Nacktheit beginnt. Die CSU-Abgeordneten Ernst Hinsken (Straubing) und Max Straubinger (Rottal-Inn) halten den heutigen Abgeordnetentyp bereits für gläsern, "weil wir schon alles angeben und sich jeder Bürger darüber informieren kann".

Für Barthl Kalb (Deggendorf, CSU) ist klar, dass ein Abgeordneter "jederzeit in der Lage sein muss, sein aktives Handeln oder Unterlassen nach außen hin zu erklären". Bruni Irber (Deggendorf, SPD) hält den Begriff des gläsernen Abgeordneten für nicht hinreichend definiert, so dass sich die Frage weder mit einem klaren Ja noch einem entschiedenen Nein beantworten lasse.

Verschärfung notwendig?

Auch bei der Frage, ob sie eine Verschärfung der Verhaltensregeln befürworten oder den geltenden Kodex für ausreichend halten, gibt es gewisse Unterschiede zwischen Schwarz und Rot. Während die SPD-Parlamentarier einhellig für eine weitere Verschärfung plädieren (der mittlerweile alle Bundestagsfraktionen zustimmen), halten die CSU-Mandatare die geltenden Regeln überwiegend für ausreichend, sie müssten nur konsequent angewendet und befolgt werden. Sie hätten sich auch - von Ausnahmen abgesehen durchaus bewährt. "Wegen einiger schwarzer Schafe dürfen nicht alle Abgeordneten unter Generalverdacht gestellt werden", argumentiert zum Beispiel Ernst Hinsken.

Lediglich Klaus Rose (Passau) sprach sich Mitte der Woche, noch vor der Einigung der Bundestagsfraktionen" von den ostbayerischen CSU-Vertretern unmissverständlich für die Verschärfung aus. Der Landshuter Wolfgang Götzer (CSU) will vor allem die strikte Unterscheidung gewahrt wissen zwischen Nebentätigkeiten und dem erlernten Beruf. Götzer ist nach wie vor - soweit ihm Zeit bleibt - praktizierender Anwalt. "Wie soll ich, wie sollen auch andere, irgendwann in den Beruf zurückkehren können, wenn wir ihn iahrelang nicht ausgeübt haben?" Dass unangemeldete Nebentätigkeiten und -einkünfte, vor allem die leistungslosen, heute schon verboten sind, will Bruni Irber besonders stark betont wissen. Und diese illegalen, Einkünfte, da ist sie sich mit den anderen einig, sollten mit scharfen Strafen belegt werden.

Sehr unterschiedlich hingegen fallen die Antworten zu diesen Fragen aus: Sollen die Diäten (das Gehalt) erhöht werden bei gleichzeitigem Verbot aller Nebentätigkeiten? Und sollen Abgeordnete für ihre Pensionsansprüche selbst aufkommen?

Rigoroser Rose

So ist Klaus Rose rigoros für ein Verbot der Nebentätigkeiten ohne Anhebung der Diäten, ebenso dafür, dass Abgeordnete für ihre Ruhestandsbezüge selbst sorgen. Auch Horst Kubatschka will Nebentätigkeiten nur dort zulassen, "wo sie aus beruflichen Gründen notwendig sind". Alle anderen, gleich ob von CSU oder SPD, halten von diesem Vorschlag aus unterschiedlichen Gründen weniger oder gar nichts, weil Abgeordnete den Bezug zum (Berufs-) Leben nicht verlieren dürften. Eine Minderheit wäre, gibt sie an, von einem Verbot ohnedies nicht betroffen.

Mit seiner Ansicht, dass Abgeordnete für ihre Pensionsansprüche ohne Anhebung der Diäten selbst aufkommen sollten, steht Klaus Rose allein. Andere verweisen auf die einschlägige Bundestagskommission, die diesen Weg prüft. Für andere, wie Barthl Kalb, Maria Eichhorn oder Horst Kubatschka, hängt diese Option von der Höhe und Struktur der Bezüge oder der entsprechenden Neuregelung ab. Florian Pronold spricht sich in diesem Fall für eine "maßvolle Erhöhung" der Diäten aus. Andere, wie Wolfgang Götzer oder Max Straubinger, sagen klipp und klar, "wenn die Diäten entsprechend erhöht werden, lässt sich darüber diskutieren".

"Treibjagd schadet"

Götzer verwahrt sich ansonsten entschieden "gegen die gegenwärtige Treibjagd, die dem Parlamentarismus nur schadet:" Und Straubinger stellt vor dem Hintergrund der Debatte um Nebentätigkeiten und eines möglichen Verbotes die ketzerische Frage:. "Was ist dann eigentlich mit dem Abgeordneten Gerhard Schröder, der im Nebenberuf noch Bundeskanzler ist?" Horst Kubatschka ärgert sich schwarz "über die Kolleginnen und Kollegen, die durch die Art der leistungslosen Einkünfte die große Mehrheit der Abgeordneten in Verruf bringen".

Einhellig wehren sich die ostbayerischen Mandatsträger gegen Skandalisierung und Generalverdächtigungen. Klaus Rose: "Bitte keine Pauschalverurteilung". Florian Pronold: "Der Generalverdacht gegen Politiker ist extrem schädlich für die Demokratie." Bruni Irber:"Es dürfen nicht alle über einen Kamm geschoren werden."

Und Ernst Hinsken verweist auf seine 80-Stunden-Arbeitswochen und dass das Ehrenamt ein Draufzahlgeschäft sei. Zudem habe er seit seiner Mitgliedschaft im Bundestag 1980 ein Sozialkonto laufen, aus dem er gemeinnützige Organisationen unterstütze. -stu-

 

NIEDERBAYERN/OBERPFALZ

KOMMENTAR: Störfeuer

Dass der gläserne Mensch kein Lebensentwurf sein kann, braucht nicht erklärt zu werden. Dass der gläserne Abgeordnete hingegen Sinn machen kann, erklärt seine Handhabung in anderen Ländern.

Auf dem Holzweg aber befinden sich nun auch ostbayerische Bundestagsabgeordnete, die zu ihrer Selbstverteidigung mit falschen Argumenten und Forderungen hantieren, allen voran der SPD-Bayernchef Ludwig Stiegler, aber auch andere. Ihre Forderung lautet, dass dann auch Manager, Bankvorstände, Chefredakteure gläsern sein müssten. Welch ein Unsinn. Das sind Störfeuer und der wichtigen Sache nicht dienende Ablenkungsmanöver.

Die Vertreter dieser Berufe handeln, erstens, nicht im Auftrag des Volkes, sondern ihrer Unternehmen; sie werden, zweitens, nicht aus Steuern bezahlt; und die vollständige Offenlegung verletzte, drittens, das Wettbewerbsrecht und das Betriebsverfassungsgesetz, das den Unternehmen das Recht des Betriebsgeheimnisses einräumt.

Volksvertreter haben das gute Recht, Pauschalverurteilung und Generalverdacht zurückzuweisen, sich auch gegen die Gläsernheit zu wehren, nicht aber, auf Nebenschauplätze auszuweichen und abzulenken. Diese Debatte muss schon aus Gründen des Selbstschutzes von Parlament und Parlamentariern geführt werden, ob das dem Einzelnen passt oder nicht.

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