Lanshuter, Straubinger, 6.Nov 2004

"Ich bin nicht er Zampano der Reform"

Reformminister Erwin Huber über Vorteile, Vorurteile und den Zwischenstand des Konzeptes 21

Noch in diesem Jahr will die Staatsregierung die große Verwaltungsreform in Bayern, das Konzept 21, abschließen. Für Chefreformator Erwin Huber (58), den kantigen Staatsminister aus Reisbach, der den Kraftakt zu stemmen hat, ein Jahr der harten Auseinandersetzungen, bitteren Erfahrungen, aber auch der Befriedigung. Den Vorwurf einer großen Tageszeitung, die Kontrolle über den Reformprozess sei ihm vollständig entglitten, kontert Huber in diesem Interview: "Ich bin nicht der Zampano, sondern eher der Moderator der Reform."

Wie ist der Stand der bayerischen Verwaltungsreform, Herr Reformminister? Noch immer im Zwischenstadium oder können Sie bald abschließen, womöglich noch heuer?

Huber:Wir haben im September das zweite Reform-Paket vorgelegt, derzeit sind wir in der intensiven und ergebnisoffenen Diskussion mit Berufsverbänden, Gewerkschaften, der Wirtschaft, der Kommunalpolitik, wir werden Mitte November im Ministerrat und in der Fraktion die Entscheidungen treffen und damit die Verwaltungsreform in Bayern politisch entscheiden. Innerhalb eines Jahres haben wir mit dem Sparhaushalt, dem achtjährigen Gymnasium und der Verwaltung 21 ein großes Reformwerk auf den Weg gebracht.

Haben Sie Ihre Ziele, sowohl jene der Staatsregierung als auch ihre eigenen, wirklich erreicht? Manchmal schien es nicht mehr so.

Huber:Die wesentlichen Ziele erreichen wir auf jeden Fall, neue Strukturen, Steigerung der Effizienz, Kosteneinsparungen. Wir werden allein durch die Reform langfristig 6000 Planstellen einsparen, es kommen weitere 5500 hinzu aufgrund der Arbeitszeitverlängerung. Das ergibt im Endeffekt eine Kostenentlastung von 550 Millionen Euro im Jahr.

Wie groß ist der Spielraum für Investitionen, den die Staatsregierung nach Abschluss und Umsetzung der Reform durch Bürokratieabbau und Deregulierung gewinnen kann?

Huber:Eindeutig zu beziffern ist das vorerst nur bei den Personalkosten. Dieser Stellenabbau wird sich über zehn bis zwölf Jahre hinziehen. Unser Spielraum wird sich von Jahr zu Jahr erhöhen und damit können wir neue Herausforderungen angehen, zum Beispiel auch mehr in Schule, Bildung und Innovation investieren. Bayern wird mit dieser Reform ein großes Stück zukunftsfähiger.

Ist die bayerische Staatsverwaltung künftig noch bürgernah, wenn gestreckt und gestrichen, Ämter und Beratungsstellen geschlossen, tausende Stellen eingezogen werden?

Huber:Bürgernähe ist ja nicht in erster Linie eine Frage der räumlichen Entfernung. Viel entscheidender ist, dass die Verwaltung noch stärker als heute vom Bürger her denkt. Und da werden wir noch sehr viel bürgernäher werden, vor allem über E-Government, also indem wir unsere Verwaltungswege so weit wie möglich auf Internet umstellen und der Bürger viele Verwaltungsangelegenheiten von seinem Computer aus erledigen kann. Das wird bis 2008 Zug um Zug umgesetzt, so dass die Staatsverwaltung jedes Jahr auch ein Stück kundenfreundlicher wird.

Es stehen noch schwere Verteilungskämpfe an. Es kommt Druck von Kommunen, Abgeordneten. Wie sind Stimmung, Zustimung oder Widerstand in der Fraktion.?

Huber: Ich höre allenthalben Zustimmung zu der Reform...

... von der Fraktion oder von außerhalb, den Bürgern, der allgemeinen Öffentlichkeit ... ?

Huber:... aus der Fraktion und noch mehr von der breiten Öffentlichkeit. Prinzipiell wird diese Reform nicht in Frage gestellt. Ich will nicht verschweigen, dass manche diesem Ja ein Aber anfügen. Das sind oft berechtigte Bedenken und Vorschläge für Änderungen. Nur bei wenigen ist das Aber so groß, dass es das Ja wieder aufhebt.

Und wie steht dieses größte Reformwerk im bundesweiten Vergleich mit den anderen Ländern?

Huber:Mit dem ausgeglichenen Haushalt und der Verwaltungsreform setzen wir ein Zeichen, das weit über Bayern hinaus weist. Aber klar ist: Es Es bemühen sich derzeit auch andere um Reformen ...

... nach bayerischem Vorbild?

Huber:in ähnliche Richtung, Baden-Württemberg beispielweise

... das Bayern voraus war und ist

Huber:aber Baden-Württemberg hat sich auf eine reine Strukturreform beschränkt. Das ist der Grund, warum es dort rascher voranging. Wir diskutieren intensiver, wir gehen auf lokale Anliegen ein, wir gehen das Ganze in einem offenen Dialog an und wir sind insgesamt damit gut gefahren.

Jetzt wurden namentlich Sie von einer großen Tageszeitung scharf angeschossen, die Kontrolle über die Reform sei Ihnen vollständig entglitten, Siehätten den Uberblick verloren. Wie ist Ihnen da zumute?

Huber:Das trifft mich nicht. Ich bin konzentriert auf die Lösung. Die Staatsregierung hat bislang mit hoher Übereinstimmung ihre Vorschläge eingebracht. Jetzt wird auch in der Fraktion - natürlich heftig und kontrovers diskutiert. Jeder kämpft für seine Region. Aber ich bin nicht der Zampano, sondern eher der Moderator der Reform. Ich bin Teilnehmer des Dialogverfahrens, und diese Aufgabe nehme ich sehr intensiv wahr - sozusagen rund um die Uhr. Dass es unterschiedliche Positionen gibt, die mit meinen nicht übereinstimmen, ist selbstverständlich...

... und den Überblick haben Sie noch, wenn ihn schon viele Ihrer Politiker-Kollegen zu verlieren drohen, von uns gemeinen Bürgern ganz zu schweigen?

Huber:ich habe den Überblick - im großen und im kleinen! Da muss ich meine Kritiker enttäuschen und die Bürger können vollständig beruhigt sein. Wir stellen sicher, dass es ein für ganz Bayern ausgewogenes Gesamtergebnis gibt.

Wie sieht es in Ostbayern aus. Wo waren und sind die größten Widerstände? Im Kreis Cham zum Beispiel droht Ihnen schwerer Ärger, weil vier Amtsgerichtszweigstellen geschlossen werden sollen.

Huber:Wir haben einige schwierige Fragen geklärt, bei der Polizei zum Beispiel ist Niederbayern eindeutig auf der Gewinnerseite. Niederbayern hatte bislang kein Präsidium, jetzt wird es einen eigenen Schutzbereich geben mit Straubing als Sitz. Auch Passau und Landshut behalten hohe kompetente Polizeipräsenz. Wir haben insgesamt eine ausgewogene Verwaltungsstruktur, in Ostbayern nur noch einige wenige lokale Brennpunkte. Das läuft. Zum Fall der Zweigstellen in Cham: So eine Konstruktion, ein Amtsgericht mit vier Außenstellen, würde heutzutage niemand mehr einrichten.

Sind Sie jetzt der meistgehasste Bayer? Oder in welcher angenehmen Gefühlslage befinden Sie sich gerade?

Huber:Dass einiges an Kritik auf mich niederprasselt, das die Grenzen der Sachlichkeit überschreitet ...

... viel Feind, viel Ehr ?

Huber:nein, das ist nicht mein Prinzip, aber dass Leidenschaften aufflammen, dass der Lokalpatriotismus gewaltige Emotionen schürt, ist verständlich, aber auch unvermeidlich. Wir sind nicht in einer Schönwetterphase der Politik, wir sind in schweren Gewittern, und da muss man mit Mut auch unpopuläre Dinge tun. Wer das nicht aushalten kann, ist fehl am Platz in der Politik. Und zum niederbayerischen Menschenschlag gehörte schon immer auch eine gewisse Robustheit.

Noch kurz zur Schulverwaltungsreform. Fehlt da nicht noch etwas?

Huber:Ja, natürlich fehlt noch der Vorschlag der Staatsregierung, da muss man natürlich bedenken, was an den Schulen schon an zukunftsweisenden Veränderungen umgesetzt wird. Wir werden noch im November einen Plan vorlegen, der sich an der jetzigen Organisation orientiert, der aber eine Stärkung der Schulämter in den Landkreisen bringen wird. Wir wollen Aufgaben auf die Schulen delegieren und die pädagogische Kompetenz der Schulämter stärken.

Was hören Sie bezüglich der Einführung des G8 aus den Gymnasien? Gibt es Probleme, Aufregung?

Huber:Gemessen an der Aufregung im Januar und Februar ist die Einführung des G8 reibungslos verlaufen. Der Schulbetrieb funktioniert. Das zeigt doch: Unsere Weichenstellung für Bildung auf internationalem Niveau war richtig und wichtig. Diese Schwerpunktsetzung für Bildung und Schule zeichnet Bayern aus. Von 1998 bis 2003 ist der Kultushaushalt dreimal so stark gestiegen wie der Gesamthaushalt.

Und in ein paar Jahren ist der Ärger über die Verwaltungsreform vergessen und das Land wieder befriedet? Glauben Sie das?

Huber:Das glaube ich sogar ganz bestimmt, weil wir alle zusammen die Früchte ernten werden. Natürlich fällt vielen die Umstellung von Arbeits- und Lebensbedingungen in Deutschland noch einigermaßen schwer, das ist auch ein Standortnachteil. Der Blick muss aber nach vorne gehen. Der größte Teil des Öffentlichen Dienstes ist übrigens sehr engagiert, und den Rest werden wir einfach mitnehmen.

Interview: Bernhard Stuhlfelner

zurück